Tomas Bucheli: Unser Wetter
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Im Interview mit Thomas Bucheli sprechen wir über seine Passion zum Wetter, das spannende Berufsbild als Meteorologe und unsere Region.
Früher als es um die Schulreise ging, war für Thomas Bucheli der Wetterbericht schon wichtig. Er informierte sich über den Telefonwetterdienst und wunderte sich, warum die Wetterleute während der ganzen Nacht das Gleiche erzählten, obwohl sie doch sicher schon längst etwas Neues wussten.
Eigentlich wollte er Pilot werden, brach aber die Rekrutenschule als Pilotenanwärter nach zwölf Wochen ab. Die Fliegerei weckte allerdings das Interesse am Wetter und nach der RS begann er ein Naturwissenschaftliches Studium an der ETH. Im Interview erzählt Thomas Bucheli uns von seinem Beruf und regionalen Eigenheiten des Wetters am linken Zürichseeufer.
Interview mit Thomas Bucheli
SRF und Thomas Bucheli – eine lange Erfolgsstory. Warum gefällt es Ihnen nach 30 Jahren noch immer?
Ich denke die grosse Abwechslung ist ein bedeutender Faktor, wieso mir mein Job noch heute so viel Spass macht und weshalb es mir nie langweilig wird.
Gab es Momente, in denen Sie mit Ihrer Berufswahl unzufrieden waren?
Nein, nie! Allein schon das «Wettern» und Moderieren macht mir immer noch sehr grossen Spass. Daneben habe ich noch ganz viele andere Aufgaben und Herausforderungen, die meinen Arbeitsalltag spannend machen. Ich bin nach wie vor glücklich meiner Arbeit nachzugehen, besonders mit einem so tollen Team.
Welche Ausbildung ist nötig, um das Wetter zu analysieren?
Der Einstieg geht über ein abgeschlossenes Naturwissenschafts-Studium, bevorzugt in den Gebieten Meteorologie, Klimatologie oder Atmosphärenphysik. Danach braucht es aber noch eine zusätzliche Spezialausbildung in praktischer Meteorologie und Prognostik. Aber auch noch mindestens ein Jahr praktische Erfahrung, um die ganze Palette des Wetters überhaupt zu kennen. Trotzdem: die Berufsbezeichnung «Meteorologin» oder «Meteorologe» ist hierzulande nicht offiziell an eine bestimmte Ausbildung gebunden – und daher auch nicht geschützt.
Gibt es genügend Nachwuchs – wer sollte Ihren Beruf ergreifen?
Die Problematik besteht darin, dass an den Hochschulen zwar die ganze Theorie und Physik vermittelt wird, derweil das praktische Know-how der meteorologischen Prognostik eher auf der Strecke bleibt. Daher gibt es in der Schweiz auch keine «diplomierten Meteorologen». Erschwerend kommt bei uns dazu, dass man fachliches Wissen mit kommunikativen Fähigkeiten kombinieren muss. Das selektioniert bei Naturwissenschaftler:innen, wenn ihnen die Kommunikationskompetenz fehlt. Wir arbeiten Berufseinsteiger:innen in das sehr spezifische Gebiet der Medienmeteorologie gezielt ein. So erkennen wir rechtzeitig die Talente.
Welches Erlebnis in Ihrem Job ist Ihnen besonders geblieben?
Die olympischen Winterspiele in Nagano. Dies war ein besonderes Highlight in meiner Karriere!
Was ist an Ihrem Beruf so speziell?
Die grosse Vielfalt – in jeder Hinsicht: So durfte ich zweimal als Meteorologe an die olympischen Winterspiele. In Nagano konnte ich beispielsweise genauere Voraussagen als die offiziellen Prognosen bereitstellen, damit das Publikum die Rennen, als sie dann wirklich stattfanden, nicht verpasste. Auch konnte ich an Spezialsendungen wie «Eiger live» mitwirken und sowohl fachlich wie medial grosse technische Weiterentwicklungen miterleben. Auch die tägliche Vermittlung der Prognosen am Radio und Fernsehen ist eine sehr faszinierende sowie spezielle Aufgabe und Herausforderung. Deshalb ist neben der fachlichen auch die mediale Eignung bei uns eine Grundvoraussetzung.
Ihr Beruf hat viele Facetten? Welche gefällt Ihnen besonders?
Eine Meteo- oder Radiosendung zu moderieren und mein Wissen dort gezielt dem Publikum zu vermitteln, gehört zu meinen Lieblingsaufgaben. Zudem sind Punktprognosen für Weltcuprennen sehr spannend. Ortsgenau in einem engen Zeitfenster eine genaue Voraussage abzugeben ist anspruchsvoll.
Was ist die häufigste Fehleinschätzung Ihres Berufes?
Die massiven technischen Fortschritte in der Meteorologie erlauben immer bessere und detailliertere Vorhersagen. Mit der Folge, dass die Erwartungshaltung des Publikums ebenfalls stetig zunimmt. Für uns Meteorologen gibt es aber selbst heutzutage noch sehr herausfordernde Situationen.
Zum Beispiel ist die Gewittervorhersage eine der anspruchsvollsten Aufgaben. Wir können zwar im Vorfeld erkennen, ob Gewitter aufkommen, wie stark sie sein werden und in welchen Gebieten sie am ehesten auftreten. Jedoch können wir nie eine hundertprozentige Genauigkeit garantieren.
Genauso schwierig ist die exakte Bestimmung der Schneefallgrenze, welche je nach Niederschlagsintensität, Feuchte- und Windverhältnisse auf kleinem Gebiet mitunter mehrere 100 Meter höher oder tiefer liegen kann. Deshalb erwähnen wir diese Unsicherheiten immer explizit, um Enttäuschungen vorzubeugen.
Warum ist die umgangssprachliche Berufsbezeichnung «Wetterfrosch» nicht richtig?
Nun, ob richtig oder falsch, ist Ansichtssache. Wenn der Begriff humoristisch oder sogar liebevoll gemeint ist, habe ich gar nichts dagegen. Wer damit aber unseren Beruf und die gesamte Wissenschaft abwerten will, hat von der Meteorologie und ihren Errungenschaften wenig verstanden.
Sie sagten, in der Schweiz sei die Berufsbezeichnung «Meteorolog:in» nicht geschützt. Möchten Sie dies ändern?
Wenn von Seite der Schweizer Hochschulen eine klar definierte und einheitlich «zertifizierte» akademische Ausbildung inklusive Abschluss in Theorie und Praxis garantiert würde, wäre dies sehr zu begrüssen. Denn so könnte gewährleistet werden, dass alle Absolvent:innen dieses Studienganges auf demselben Level wären – wovon wir als Wetterbüro enorm profitieren könnten. Heute ist der Wissensstand der akademisch ausgebildeten Neueinsteiger:innen je nach Hochschule sehr unterschiedlich – vor allem, was die praktischen Vorkenntnisse in der Synoptik und meteorologischen Prognostik betrifft. In anderen Ländern ist dies seit jeher geregelt – aber da hat die Meteorologie auch eine andere Tradition. Daher ist sichergestellt, dass für Armee, Marine, Fliegerei dieselben Ausbildungsstandards gelten.
Faszination Meteorologie
Wie sieht ein Arbeitstag als Meteorologe aus?
Im SRF Meteo-Büro arbeiten wir in fünf Schichten von drei Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Bei «schwerem» Wetter sind wir rund um die Uhr im Einsatz. In der «TV-Schicht» bin ich unter anderem für die drei Live-Sendungen auf dem Meteo-Dach und die aufgezeichnete Abend-Sendung aus dem Büro zuständig – und zwar sowohl fachlich-prognostisch wie auch grafisch, inhaltlich, journalistisch und in der Moderation. Zuerst bringe ich mich über das vergangene Wetter und die aktuelle Wetterlage auf den neusten Stand. Danach folgt die Analyse der verschiedenen Modelle, bevor ich die prognostische Feinarbeit beginne. Zweimal am Tag führen wir ein Wettergespräch mit dem Team durch, in welchem sich die Mitarbeitenden der verschiedenen Arbeitsschichten fachlich austauschen. Aus all diesen Erkenntnissen entstehen das Konzept und der Inhalt für die jeweilige Sendung.
Was ist für Sie besonders spannend?
Jeder Tag ist neu und bringt andere Herausforderungen. Das betrifft die medialen Aufgaben genauso wie das Wetter per se: Jedes Wetter hat seine speziellen Eigenheiten. Von kräftigen Sommergewittern bis zu Hochdrucklagen im Winter mit Nebel, alle haben ihre spannenden Seiten.
Wohin entwickelt sich die Wetterprognose?
Die gesamte Technologie wird sich auch in Zukunft verbessern – manchmal in grösseren, meist aber in kleineren Schritten. So bei der Vermessung des Erdatmosphäre Systems aus dem Weltraum durch Satelliten, die inzwischen mit einer enormen Fülle an hochkomplexen Sensoren bestückt werden und damit unglaublich feine Messungen erlauben. Oder nehmen wir die heutigen Supercomputer, welche für die Wetterprognostik eingesetzt werden. Was diese heute leisten können, wäre noch vor 5 oder 10 Jahren nie möglich gewesen, und erst recht nicht vor 30 Jahren, als ich am Anfang meiner Karriere stand.
Das lokale Wetter wird mit global umspannenden Messpunkten in Gitternetzen berechnet. Als ich 1987 als Meteorologe bei der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt begann, hatten wir lediglich ein globales Gitter mit einer Auflösung von rund 200×200 Kilometern. So gab es für die Schweiz einen, maximal zwei dieser Berechnungs-Punkte. Mittlerweile berechnen die feinst-aufgelösten Modelle das Wetter mit einem 1×1-Kilometer-Gitter. Daher können wir das Wetter in unserer komplizierten Topografie schon sehr detailliert modellieren. Um genauere Vorhersagen gerade für Gewitter, Nebel oder für die Schneefallgrenze zu machen, müssten die Punkte aber noch enger zusammenliegen. Dies würde den Rechenaufwand massiv steigern – aber es wird kommen!
Das gilt auch für neue Messgeräte wie zum Beispiel die Drohnen – vor ein paar Jahren noch undenkbar…
Hat sich das Wetter verändert, welche Rolle spielt die Klimasituation?
Klar ist: es wird immer wärmer. Klar ist auch: der Ausstoss von Treibhausgasen ist für diese Erwärmung massgeblich verantwortlich. Die Folgen sind mehr Hitzetage, massivere Hitzewellen, steigende Schneefallgrenzen und ähnliche Veränderungen.
Dies alles ist Realität, lässt sich messen, belegen und berechnen. Etwas komplizierter wird es bei der Frage, ob sich hierzulande auch die Wetterlagen ändern. Sind mehr Bisen- oder Südwestlagen mit ihren heftigen Gewittern zu erwarten? Oder werden Gewitter per se immer stärker und gefährlicher? Veränderungen dieser Art sind auch an die Temperaturen gekoppelt – aber nicht nur. Deshalb ist eine kausale Zuordnung eines Gewitterunwetters mit der globalen Erderwärmung derzeit noch heikel. Aber nochmals: klar ist, dass die Erwärmung mehr Energie im System bedeutet. Und Wetter ist umgesetzte Energie!
Was ist an unserer Region aus wettertechnischer Sicht aussergewöhnlich?
Wir befinden uns hier in einer sehr spannenden Region, die durch ihre topografischen Eigenheiten am Fuss vom Üetliberg und Albis mitunter sehr grossen Einfluss auf das Wetter ausüben kann. Das konnte ich kürzlich wieder beobachten: Da kam eine ziemlich organisierte und sehr kräftige Gewitterlinie von Südwesten Richtung Kilchberg. In ihrem Vorfeld begann es tüchtig zu stürmen – aber beim Überqueren des Üetlibergs wurde die Front buchstäblich zweigeteilt: Ein Teil zog nördlich über Zürich, der andere Teil südlich über Horgen und brachte intensiven Regen. Bei mir auf der Terrasse in Kilchberg dagegen fielen nur kurz ein paar wenige Tropfen…
Hat der Zürichsee Einfluss auf das Wetter? Und wenn ja, welchen?
Ja, und zwar allein schon auf die lokalen Winde und Thermik, die durch die Interaktion zwischen See und umliegende Hügel und Täler ganz unterschiedlich und zu verschiedenen Tageszeiten wirken. Der Zürichsee wiederum sorgt im heissen Sommer für Kühlung, in kalten Wintern dagegen wirkt er als Wärmespeicher und «Frostschutz». Dafür ermöglicht der See, dass der Wind mitunter besser heruntergreifen und mit stärkerer Wucht das andere Ufer treffen kann. Die Bise sorgt am Osthang des Üetlibergs für schöne Thermik – was auch die Gleitschirmflieger anlockt.
Lieblingsplätze
Sie leben seit einiger Zeit in unserer Region, was macht für Sie das linke Zürichseeufer attraktiv?
Die Natur, vor allem den Sihlwald und die Nähe zum Wasser empfinde ich als eine Bereicherung. Die grossartigen Badeanstalten sowie die Sihl sind für mich ein attraktives Naherholungsgebiet. Die guten Zugsverbindungen und der Autobahnanschluss gleich in der Nähe ermöglichen verkürzte Reisezeiten. Zudem liebe ich gemütliche Sommerabende auf meiner Terrasse bei denen ich die Aussicht auf das gegenüberliegende sonnengeküsste Ufer geniessen kann.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz am linken Zürichseeufer?
Der kleine Wald bei der Stiftung Emilienheim in Kilchberg ist mein persönlicher Lieblingsort. Ich liebe es, dort mit meinem Hund morgens spazieren zu gehen. Es ist sehr ruhig gelegen und fühlt sich für mich wie eine kleine Oase an.
Was ist Ihr Ausflugstipp?
Das Gebiet rund um den Horgener-Bergweiher gefällt mir besonders gut. Der Weiher, der Wald und die schönen Auen laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein.