Money Museum: Interview mit Jürg Conzett

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Im Money-Museum in Zürich sprechen wir mit dem Kilchberger, Jürg Conzett über Geld und die Besonderheiten unserer schönen Region.

Herr Conzett, wer sind sie?

Hier im Money-Museum bin ich der Gründer. Sonst im Leben bin ich ein ewiger Student und dauernd neugierig. Dies möchte ich auch weiter bleiben.

Was sind in ihrem beruflichen Leben die wichtigsten Meilensteine?

Das sind sicher meine Ausbildungen an den Universitäten in Zürich und Stanford (Kalifornien). Danach bin ins Privatbanking eingestiegen, zuerst bei der First National City Bank in den USA und dann noch 2 Jahre in Tokyo. Dann kehrte ich in die Schweiz zurück, zuerst zur Dow Banking, dann weiter zur Cantrade (damals Tochterbank der UBS, heute Julius Bär). Vor ca. 35 Jahre habe ich mich selbständig gemacht, dies war beruflich sicher mein wichtigster Meilensteine.

Sie haben Geschichte und Psychologie studiert, dann aber viele Jahre im Banking gearbeitet. Was bewirkt ein Historiker und Psychologe in einer Bank?

Die angelsächsischen Banken sind personell typischerweise von je einem Drittel Ingenieure, Wirtschaftsspezialisten und Geisteswissenschaftler geprägt. Das ist in Europa nicht üblich. In England wurden Historiker lange eingesetzt, um auch eine breite Weltansicht in Entscheidungen miteinzubeziehen, was mit ausschliesslich wirtschaftlich ausgebildeten Leuten weniger möglich ist. Heutige Ökonomen werden anhand von Modellen geschult, was zu einen eher engeren Blickwinkel führt.

Geisteswissenschaft war früher noch mehr als heute ein sehr freies Studium. Für neugierige Menschen ein Paradies, um sich persönlich zu entfalten.

Sie waren lange Zeit im Ausland, den USA und Japan, wie haben sie diese Kulturen geprägt?

Dazumal waren natürlich Amerika und Japan jene Stationen, welche man im Bankengeschäft in seinem Palmares brauchte. Heute sind ist es eher der Osten, vor allem China wird eigentlich vorausgesetzt.

China und Japan haben ganz andere Kulturen, die ticken anders. Auch die Schweiz kann davon lernen, umfassender auf andere Länder zuzugehen. Ein Beispiel: Wenn ein Schweizer Politiker nach China fährt, spricht er über den Handel, vielleicht noch vorsichtig über Menschenrechte. Der Chinese wird aber nicht als umfassende Persönlichkeit angeschaut. Dies funktioniert bei den Chinesen und Japanern schlecht. In Amerika im Gegensatz ist das kein Problem, weil sie unserem Kulturkreis entsprechen. Die Erfahrung zu machen, dass es so unterschiedliche Kulturen gibt, finde ich wichtig und richtig.

Was können wir in der Schweiz von diesen beiden Kulturen lernen?

Umfassend lernen kann die Schweiz, den Standpunkt des anderen zu kennen. Zum Beispiel sagen östlichen Philosophien: Du musst dich im andern einschleichen, auch wenn es der Feind ist. Damit du weisst, wie er tickt. Das entspricht weniger unserem Verhalten.

Amerika im Gegensatz ist in Bezug auf das Verhalten sehr fragmentiert, ich habe das sogenannte liberale Amerika kennengelernt. Es gibt Regionen, die wirtschaftlich wenig erfolgreich aber einfach sind, dafür eine sehr schöne Gegend. Da sind die Universitäts- und Wirtschaftszentren komplett anders. Sie pulsieren. Kalifornien mit Stanford, Berkeley und Los Angeles und andere wichtige Städte sind starke Impulsgeber für die amerikanische Wirtschaft.

Heute wirken Sie mit der Stiftung «sunflower», die sich mit dem Umgang mit Geld beschäftigt, wie ist dieses Engagement entstanden?

Zu Beginn beschäftigten wir uns vor allem mit der Geschichte der Münzen und produzierten dazu viele Filme. Aber seit ca. 15 Jahren haben wir eine spezielle Mission: In fünf Jahren werden wir digitales Zentralbankgeld haben. Diese Entwicklung und deren Auswirkung ist noch gar nicht auf dem Radar der Leute. Die Regierungen erarbeiten die Rahmenbedingungen, China ist da dem Rest der Welt 10 Jahre voraus. Wer diese Technologie zusammen mit den Möglichkeiten von KI beherrscht, hat in Zukunft die Nase vorne.

Damit werden die Aktivitäten der Menschen, also wir alle, stärker kontrolliert. Das muss nicht negativ nur sein, denn Geld ermöglicht uns Essen, Schlafen und so vieles mehr. Das wird mit digitalem Geld transparenter und wir müssen uns heute Gedanken dazu machen, was das für Auswirkungen hat und welche Möglichkeiten das einer Regierung gibt. Es geht bis zum Eigentum. Wir wollen uns engagieren, damit eine Diskussion in der Bevölkerung entsteht. Unsere Gesellschaft wird sich ohnehin verändern, wir wollen aber nicht auch noch Sklaven von digitalem Geld werden. Wir haben eine Aufklärungs-Mission und wollen das Thema nicht nur ökonomisch betrachten. Psychologie und Soziologie müssen miteinbezogen werden. Wir arbeiten mit einer Deutschen Universität zusammen, die diese Zielsetzung in der Lehre verfolgt.

Was hat sich aus ihrer Sicht denn verändert im Umgang mit Geld?

Eigentlich hat sich nicht sehr viel verändert. Es gibt ein Buch «Fortunatus» aus dem 15. Jahrhundert – wir haben nur ein Faksimile davon – das während 300 Jahren ein Bestseller war. Es erzählt die Geschichte einer Person, welche plötzlich viel Geld hatte. Was macht er daraus? Fortunatus machte Fehler, aber er hat daraus gelernt und ist in diesem Sinn «geldmächtig» geworden, so nenne ich das. Dieser Begriff wird bei uns kaum verwendet, er wäre aber wichtig. Wir müssen den Umgang mit Geld lernen, wie wir eine Sprache lernen, wenn wir in einem anderen Land leben wollen. Die Geschichte von Fortunatus endet schliesslich mit dem Ruin seiner beiden Söhne, die nicht mit dem Reichtum umgehen konnten. Für mich stellt sich da die Frage: Wem wollen wir näher sein? Dem «geldmächtigen» Fortunatus oder den Söhnen, die diese Fähigkeit nicht erlernten?

Teil Ihrer Tätigkeit bildet auch das in Zürich angesiedelte Money Museum, wie ist es zu dieser einzigartigen Stätte für Fragen um «Geld» gekommen?

Entstanden ist es, weil mich die psychologischen Auswirkungen des Geldes interessierten. In meiner Familie hat man kaum über Geld geredet, aber es war halt da und ich habe gesehen, dass es Auswirkungen hat. Ich wollte wissen, was ist Geld, wann ist es entstanden, was hat es für Eigenschaften, die Vor- und Nachteile. Das konnte mir in der Schule oder an der Uni niemand überzeugend beantworten. Eigentlich sind wir weniger ein Museum als ein Museion im altgriechischen Sinne, wo sich Menschen treffen und austauschen, Wissen sammeln und verbreiten.

Was ist das Ziel des Museums?

Wir haben einen Stiftungszweck: Dokumentation und die Präsentation der Geschichte des Geldes sowie die Unterstützung der Forschung auf diesem Gebiet. Wir haben eine Mission: Wir wollen das Thema Geld im umfassenden Sinn didaktisch den Leuten näherbringen. Dazu spielt auch China eine Rolle, weil es beim digitalen Geld einen Vorsprung hat, was Auswirkungen auf uns haben wird. Diese Entwicklung ist wie eine zusätzliche Mission für das Museum, welches aber vor allem eine thematische Bibliothek zu Geld ist.

Was sind die Hauptaufgaben des Money Museums? Was sind die wichtigsten Aufgaben der Mission?

Wir beschäftigen uns mit drei Gebieten. Was ist ökonomische Bildung? Die Universitäten werden heute durch eine neoliberale, eher enge Sichtweise geprägt und wir möchten den Blick erweitern.

Das zweite ist China, wir würden gerne zeigen, wie China mit digitalem Geld und KI seine Gesellschaft und Wirtschaft effizienter gestalten will.

Und drittens: Geld wird sich stark verändern, weil die Geldpolitik der Staaten an Grenzen gekommen ist und man nach Auswegen sucht. Durch digitales Zentralbankengeld wird Fiskal- und Geldpolitik verschmelzen. Das muss nicht heissen, dass wir nur kontrolliert werden, es hat auch Vorteile für uns. Aber wir müssen mitreden und mitbestimmen können. Wenn wir daran kein Interesse haben, werden es andere für uns tun.

 

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher im Money Museum?

Wir haben zwei Arten von Besuchern. Zwei Drittel der Besucher wollen einfach herumschauen – bei uns kann man auch fast alles in die Hand nehmen. Zudem haben wir für diese Besucher den Ausstellungsraum mit Audioguide in Deutsch und Englisch und vielen Texten. Da ändern die Inhalte regelmässig. Die aktuelle Ausstellung ist “Was ist ein schönes Buch?” Wir haben eine ganze Sammlung von schönen Pressedrucken zwischen 1880-1940 und erklären, was speziell daran ist. Ein Drittel der Besucher will aber nicht nur schauen, sondern über Geld sprechen und diskutieren. Mit dieser Gruppe treten wir aktiv in Kontakt und es ergeben sich oft sehr gute Gespräche.

Sie zeigen auch sehr spannende Exponate, welches sind Ihre Highlights?

Bei den Büchern hatten wir eine Ausstellung über Astronomie. Wir haben mit einem Exponat angefangen, einem Buch von Sacrobosco (Anm. der Red.: Johannes de Sacrobosco, ca. 1195 – 1256, englischer Mathematiker und Astrologe), welcher in Paris Astronomie gelehrt hat. Um 1230 erschien sein Buch «Tractatus de Sphaera», welches über 300 Jahre als Referenzwerk der sphärischen Astrologie diente. Unsere Ausgabe ist nicht so alt, da es zu seiner Zeit noch keinen Buchdruck gab.

Bei den Münzen gibt es Highlights wie der erste Taler. Und die schönsten Münzen sind sicher die Griechischen Münzen, zum Beispiel die «Aretusa» von Syrakus (400 v.Chr.).

Haben sie einen Favoriten? Wenn ja, warum?

Der erste Taler der Welt, der ist von Sigismund der Münzreiche, ein Habsburger in Innsbruck. Er fand Silber auf seinem Land und hat daraus Silbermünzen geprägt im Wert einer Goldmünze. Er nannte sie «Guldiner», daraus entstand der Begriff «Gulden».

In Böhmen haben die Grafen Schlick auch aus ihren Silberminen eine Münze, den «St. Joachims Taler» gestaltet. Aus diesem etwas langen Namen entstand der dann für weiteren Münzen verwendete Begriff «Taler».

Nach 1500 gab es sehr schöne Münzen, da die Spindelpresse erfunden wurde. So konnten grössere Flächen geprägt werden, zum Beispiel die Ansicht der Stadt Zürich.

Viele Münzen liegen die meiste Zeit im Tresor und werden nur selten herausgeholt. Ich empfinde das als moderne Sünde. Darum haben wir auch viele Münze verkauft.

Fehlt dem Museum noch ein besonderes Exponat?

Unser Archiv ist recht vollständig. Wie ich bereits gesagt habe, haben wir in den nächsten 3 Jahren die Mission, zusammen mit der Hochschule Koblenz das Thema «Geld» in umfassender Sinn didaktisch für Schulen, Universitäten und Volkshochschulen vorbereiten. Dazu gibt es sehr gute Instrumente. Ich hoffe sehr, dass dies gelingt und wir so auf die Entwicklung der digitalen Währungen positiv Einfluss nehmen können.

Das Museum bietet auch «Einführungskurse» an, was ist das genau?

Heute existiert mit ChatGPT ein Instrument, das vielen Menschen noch nicht so bekannt ist. Viele haben da eine falsche Vorstellung. Wenn jemand kommt und interessiert ist, bieten wir darum eine Einführung dazu an. Wir zeigen den Interessierten, was man damit machen kann. Anhand einer kurzen Präsentation zu Werken der Gesellschaftsliteratur (wie Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und viele andere) erklären wir den Nutzen von ChatGPT.

Wie beurteilen Sie die Zukunft von analogen Zahlungsmitteln?

Die physischen und analogen Zahlungsmittel sind heute ein historisches Relikt. Wenn die Zentralbank-Token kommen, ist es dann endgültig vorbei. Dann wird es keine analogen Zahlungsmittel mehr geben. Schon heute ist fast alles Kreditgeld.

Ist die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs einfach ein weiterer Entwicklungsschritt?

Das existiert schon lange, bei einem Hauskauf ist noch niemand mit «Bank-Nötli» für die Bezahlung gekommen. In China, wo eine andere Tradition herrscht, zahlt praktisch niemand mehr mit Bargeld. In der Schweiz ist das irgendwie noch im Kopf, dass man Bargeld braucht.

Warum ist das Money Museum nicht in der Region angesiedelt?

Dass das Money Museum sich in Zürich befindet, ist reiner Zufall. Angefangen hat es mit einem Inserat unter Chiffre in der NZZ, «Museum zu verkaufen». Ich habe das so kurios empfunden, dass ich mir sagte, mit diesen Leuten muss ich reden, aber ein Museum will ich nicht. So ist die Geschichte des Money Museums entstanden. Als das Sihlcity gebaut wurde, haben wir uns überlegt dahin zu ziehen. Das haben wir dann verworfen, wollten aber dennoch etwas Neues und haben die Architektin Tilla Theus getroffen. Sie entwickelte das «Holztrückli», das in einem 2-jährigen Umbau entstanden ist und uns heute viel Freude macht.

Sie sind in Kilchberg zuhause, was verbindet sie mit dem Ort?

Meine Ur-Grossmutter zog, als das Wohnen in Wiedikon zu teuer wurde, nach Kilchberg. Sie hat sich da ein Haus gekauft, in dem mein Vater aufgewachsen ist. In Kilchberg zu leben hat grosse Vorteile. Du bist in einem lokalen Paradies und doch sehr nahe an der Stadt, die so toll pulsiert. Auch die ÖV-Anbindung ist sehr gut, wir wohnen eigentlich in der Natur und sind aber in 10 Minuten in der Stadt.

Welche Jugenderinnerungen haben sie an Kilchberg?

Mein Vater ist nach Zürich gezogen und ich bin da aufgewachsen. Ich bin erst vor 30 Jahren nach Kilchberg zurückgekehrt. In dieser Zeit hat sich Kilchberg auch verändert. Vor allem fand ein Verdrängungs-Wettbewerb betreffend Wohnungen satt, das ist ein Wermutstropfen. Dafür wurde der ÖV in den letzten Jahren stark ausgebaut, was eine grosser Vorteil ist. Unsere Region Zimmerberg-Sihltal ist ein lokales Paradies mit der nahen Stadt voller Stimmung und den ebenfalls nahen Bergen und der Natur.

Was hat sich aus ihrer Sicht am stärksten verändert?

Auch wenn ich nicht selbst betroffen bin, stört mich der Verdrängungs-Wettbewerb auf dem Wohnmarkt. Ich empfinde das als negative Entwicklung, denn die Zukunft gehört den Jungen. Sie müssten auch hier wohnen können. Der Ausbau des ÖV ist hingegen hervorragend.

Was würden sie gerne verändern?

Ich würde mir wünschen, dass es, gerade bei öffentlichen Bauten, weniger Einsprachen gibt und mehr Wohnraum für Junge geschaffen werden kann. Bei fast jedem Projekt wird mit juristischen Mitteln dagegen angekämpft, dass muss für die Bauvorsteher/Politiker und Mitarbeitenden sehr frustrierend sein. Kilchberg könnte mehr eine Gemeinschafts- statt nur Schlafgemeinde sein.

Sie sind viel gereist und besuchten schöne Orte auf der ganzen Welt, was ist für sie das Besondere am linken Zürichseeufer?

Ich war viel in Grossstädten, hier in Kilchberg gefällt mir der Lokalcharakter, es ist klein. Aber man ist mit einem Sprung in Zürich oder in der ganzen Welt. Die ganze Wirtschafts-Region ist verkehrsmässig super angebunden. Es hat einen wirtschaftlichen, globalen und doch lokalen Charakter, diese Kombination ist einmalig.

Welche sind ihre Lieblingsplätze in der Region?

Das Restaurant Oberer Mönchhof in Kilchberg ist für mich ein Ort, den ich sehr gerne besuche.

Wenn sie drei Stichworte zur Charakterisierung der Region nennen müssen, was kommt Ihnen da in den Sinn?

Lokal-Paradies, internationale Anbindung und das ÖV-Netz ist hervorragend, findet man nicht überall. Das sind drei «Hits», welche Ausländer auch sofort sehen.

Informationen zum Money Museum

Gegründet

1999 digital, 2003 physisch

Viele Ausstellungen

Astronomie, Recht und Gerechtigkeit
Wir und das Fremde
Ewig Leben?
Der Kaufmann im Barock
Die schönsten Chroniken der Schweiz.
Frühe Münz-Geschichte
Bücher und Videos, online und physisch, also hybrid
Sehr individuelle Führungen

Besuche

Jeden Donnerstag auf Voranmeldung
Ausgewählte Montagnachmittage: mit ChatGPT Fragen stellen zu Geld

Besondere Angebote

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Diskussionen und Dialoge übers Thema Geld

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