Die Stiftungslandschaft in der Zürich Park Side Region

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Insgesamt über 250 gemeinnützige Stiftungen haben ihren Standort in der Zürich Park Side Region. Tendenz steigend. Was zeichnet das Stiftungswesen aus und woher kommt das starke Wachstum dieses Bereiches?

Dr. Hansjörg Schmidt, Leiter Stiftungen, Zürcher Kantonalbank, kennt das Stiftungswesen hervorragend – so ist er Autor zahlreicher Beiträge rund um den Sektor und berät eine grosse Anzahl an Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen in der Schweiz. Wir treffen ihn zum Gespräch.

«Wirtschaft und Politik sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Stiftungen positionieren sich genau in diesen Lücken.»

Dr. Hansjörg Schmidt
Leiter Stiftungen, Zürcher Kantonalbank

Herr Schmidt, was zeichnet eine Stiftung überhaupt aus?

Gemeinnützige Stiftungen widmen ihre für die Gesellschaft sehr wertvolle Tätigkeit einer Vielzahl von gesellschaftlichen Problemen, vor allem im sozialen Bereich, in der Bildung und Forschung und für kulturelle Zwecke. Auch in der Reichweite ihrer Aktivitäten zeigt sich eine grosse Vielfalt: Die meisten sind auf lokale oder regionale Bedürfnisse ausgerichtet. Es hat aber auch einige, die sich global engagieren.

Wieso braucht es Stiftungen in einem sogenannten Wohlfahrtsstaat wie der Schweiz überhaupt?

Die Liste der gesellschaftlichen Lücken auf nationaler als auch internationaler Ebene ist lang: Klimawandel, Armut, Diskriminierung, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, Pandemien oder andere Gesundheitsprobleme wie die zunehmende Übergewichtigkeit – um nur einige zu nennen. Wirtschaft und Politik sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt und können oder wollen nicht alle dieser Probleme angehen. Viele Stiftungen positionieren sich genau in diesen Lücken und füllen diese mit innovativen Lösungen. Sie nehmen damit eine zentrale Rolle für gesellschaftliche Entwicklungen ein.

Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da?

Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine der höchsten Stiftungsdichten aus, d.h. gemessen an der Einwohnerzahl sind die 13’600 Stiftungen, die es hierzulande gibt, ein sehr hoher Wert. Tendenz steigend.

Beeindruckende Zahlen. Woher kommt die Dichte an Stiftungen in unserem Land?

Zu den Gründen zählen generell ein sicheres rechtliches und wirtschaftliches Umfeld, aber vor allem eine förderliche Regulierung und eine Politik, die die Gründung und den Unterhalt von Stiftungen grundsätzlich positiv sieht. Auch in der Region Zürich Park Side herrscht eine ähnliche Dichte an Stiftungen wie im Land insgesamt.

Stichwort Region Zürich Park Side – wie gestaltet sich hier das Stiftungswesen?

Genau 251 Stiftungen gibt es aktuell in der Region. Sie verteilen sich über alle Gemeinden, aber in Freienbach, Horgen, Wädenswil, Kilchberg und Thalwil konzentrieren sich besonders viele.

Schaut man sich die Themen an, auf die sich die Stiftungen konzentrieren, so fällt auf, dass es sich vor allem um drei Bereiche handelt: Soziale Dienste, Bildung und Forschung sowie Kultur und Freizeit. Es sind also die gleichen Schwerpunkte wie auf gesamtschweizerischer Ebene. Unter den restlichen Themen mag erstaunen, dass die Anzahl der Stiftungen, die sich dem Umweltschutz widmen, eher gering ausfällt. Dies mag damit zusammenhängen, dass dieser Bereich erst in den letzten Jahrzehnten eine grosse gesellschaftliche Bedeutung erhalten hat, während die “alteingesessenen” Stiftungen eher in den anderen Bereichen zu finden sind.

Gibt es weitere Merkmale, die die Stiftungen auf dieser Seeseite “prägen”?

Interessant ist die Aufteilung in fördernde und operative Stiftungen. Von allen Stiftungen in der Zürich Park Side Region sind – zufällig – jeweils fast genau die Hälfte fördernd und operativ unterwegs.

…können Sie die Begriffe für uns Laien klären?

Eine Förderstiftung verfügt im Allgemeinen über genügend finanzielle Mittel und verfolgt ihren Stiftungszweck über Vergabungen. Diese Vergabungen können an einzelne Personen, an Institutionen oder auch an andere, operative Stiftungen gehen. Solche operativen Stiftungen führen eigene Projekte und Aktivitäten durch, um ihren Stiftungszweck zu erreichen. So hat zum Beispiel eine der bekanntesten Stiftungen, die Schweizerische Berghilfe, ihren Sitz in der Region, nämlich in Adliswil. Weitere Beispiele sind die Stiftung Tanne für Taubblinde oder die Stiftung Wildnispark Zürich, beide in Langnau am Albis. Ich denke aber auch an eine ganze Reihe von Altersheimen, die als Stiftungen organisiert sind oder an das Kinderheim Grünau. Solche Institutionen sind naturgemäss stark regional ausgerichtet.

Zeichnet sich ein Trendthema bei den Stiftungen ab?

Mehr und mehr Stiftungen legen bei ihren Finanzanlagen auf ökologische und andere nachhaltige Faktoren grossen Wert. Eine Stiftung kann so auch indirekt eine positive, gemeinnützige Wirkung erzeugen. Bei der Zürcher Kantonalbank ist dieses gestiegene Bewusstsein in den neuen Mandatsabschlüssen klar zu spüren. Fast jede Neuordnung der Finanzen bei einer Stiftung führt auch zu intensiven Diskussionen bezüglich der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlagen.

Ich möchte selbst eine Stiftung gründen, wie muss ich da vorgehen?

Der wesentlichste Schritt besteht darin, eine Stiftungsurkunde aufzusetzen und den Zweck der Stiftung möglichst klar und zukunftsgerichtet zu formulieren. Ausserdem müssen einige amtliche Formalitäten erledigt werden, insbesondere die Bestimmung von Stiftungssitz und Aufsichtsbehörde, der Eintrag ins Handelsregister und die Beantragung der Steuerbefreiung. Eine gemeinnützige Stiftung zu gründen ist ein grösseres Unterfangen und kommt vor allem dann in Frage, wenn man einen speziellen, philanthropischen Zweck über eine lange Zeit verfolgen möchte. Aufgrund des relativ hohen Aufwands lohnt sich eine selbständige Stiftung unseres Erachtens erst, wenn man mindestens drei, besser fünf Millionen Franken einbringen kann. Auf jeden Fall ist es empfehlenswert, sich bei der Gründung einer Stiftung professionell beraten zu lassen. Die Expertinnen und Experten der Zürcher Kantonalbank stehen dafür gerne zur Verfügung.